ÖVP: keine weitere Rückmeldung

Wer erkennt die Lösungskompetenz? Gilt nur noch die mediale Präsenz der PolitikdarstellerInnen?

Von Peter Degischer, Em. Univ. Prof. (Zukunftmitverantworten, SeniorInnenAttac)

Fragen an die Österr.Volkspartei im Sommer 2016
Aufgrund einiger Aktionen von ÖVP-Repräsentanten, die in der SeniorInnen-Attac-Gruppe Unverständnis auslösten, richtete ich via oevp.at an Klubobmann Reinhold Lopatka am 12.Juli 2016 im Namen der Gruppe folgende Anfrage:

Sehr geehrter Herr Klubobmann Lopatka,
Als obersten Repräsentanten der ÖVP im Parlament wenden wir uns an Sie, da wir in meiner SeniorInnen-Gruppe die jüngsten Stellungnahmen und Positionen in der Volksvertretung nicht verstehen, die Sie wesentlich in den koalitionären Absprachen beeinfluss(t)en:

  • Ausbildungspflicht bis 18, ausgenommen AsylwerberInnen! Obwohl WKO und IV dafür wären, verhindert die ÖVP-Fraktion die Inklusion der Flüchtlinge mit dem Argument, wenn sie abgewiesen würden, wäre es eine vergeudete Investition? Welche Lobbys waren da erfolgreich – Funktionäre der GÖD? (Gegenargumente: siehe http://www.keinehalbenkinder.at) Wie werden Ausbildungskosten der Ursprungsländer der Flüchtlinge abgegolten, in deren Genuss in vielen Fällen die Zielländer ausgebildeter Flüchtlinge kommen? Die ÖVP stellt doch den für Integration zuständigen Minister.
  • Die „Höchst-/Richtzahl“ für Asylvergaben: eine der Flüchtlingskonvention widersprechende Vereinbarung, die zur Problemlösung nichts beiträgt, aber begleitet wurde von der Sperre der Balkanroute, von Plänen für eine Flüchtlingsinsel, „Es wird nicht ohne hässliche Bilder gehen“ (der ÖVP-Außenminister); undefinierte Wertediskussionen jenseits der Humanität. Will die ÖVP die FPÖ rechts überholen? Im Sept.2015 forderte Außenminister Kurz (ÖVP) noch, dass Asylsuchende ihre Anträge künftig schon in ihrem Heimatland stellen können sollen und meinte, mit der derzeitigen Praxis betreibe die EU so etwas wie ein „Schlepperförderungsprogramm“. – Was/wer hat seine Haltung gedreht? Was halten Sie von der Devise: Fluchtursachen bekämpfen, nicht die Flüchtlinge!
  • Dann die Notstandsvorbereitung: solange sich die Zahl der MillionärInnen in Österreich mit der derer, denen Asyl oder subsidiärer Schutz gewährt wird, annähernd die Waage hält, wo ist da der Notstand? Vor allem sehen jene ÖsterreicherInnen keinen Notstand, die mit Flüchtlingen Kontakt haben. Haben die Parlamentsklubs Flüchtlingsheime besucht und mit Schutzbefohlenen gesprochen? Wenn die Zivilgesellschaft hier nicht aktiv wäre, dann hätte der Notstand der PolitikdarstellerInnen einen sozialen Notstand hervorgerufen. Beispielsweise kommt http://www.connectingpeople.at/ ohne Subvention des Innen- und des Integrationsministeriums aus.
  • Unnötige Zäune bauen und vorbereiten (bisherige Kosten werden auf 1 Mrd.€ geschätzt) und gleichzeitig beteuern, dass wir uns die Flüchtlingsbetreuung nicht leisten können. Die ÖVP stellt und stellte auch die InnenministerInnen. (Für mich als Tiroler besonders auffallend, dass sich die italienische Regierung gegen die vom BM.I geplanten Grenzbefestigungen einsetzt, aber der Tiroler Landeshauptmann sie „einsieht“!)
  • Die Kürzungsabsichten für die Mindestsicherung unter dem Argument der Differenzierung zum „Arbeitsmarkt“, der offenbar zu wenige Arbeitsplätze bzw. prekäre Entlohnungsarten anbietet. Wie wäre es mit mehr und besser bezahlten Arbeitsplätzen durch öffentliche Investitionen (statt Null-defizit-Ziel)? Hier wären die SPÖ-Minister (BMASK, BMVit) und der ÖVP-Finanzminister gefordert.
  • Ermöglicht die äußerste Sparsamkeit durch den Rückbau sozialer Leistungen die Großzügigkeit im Falle der kürzlich beschlossenen Zahlungen an AvW-Geschädigte, sowie die Rücknahme der Bankenabgabe? (von der HETA spreche ich gar nicht) Die ÖVP stellt und stellte den Finanzminister, dem es nicht und nicht gelingt irgendeine Form der Finanztransaktionssteuer durchzusetzen.
  • Ganz zu schweigen vom intensiven Minderheitenschutz für die 5% Vermögendsten und deren Erben. Ich fürchte, diese werden vor allem von deren Finanzverwaltern (wegen der Erfolgsprämien?) in die Rolle der zu Schützenden hochgespielt. Eine Steuer in der Größenordnung von 1% schmälert Vermögen kaum, deren Wachstum jährlich 4-8% beträgt: http://www.attac.at/vermoegensuhr.html
  • Dann kommt noch die Ratifizierung der EU-Handelsabkommen, für die sich die Funktionäre der WKO, LWK, IV stark machen, ich fürchte auch gegen die Interessen des Großteils ihrer Mitglieder (vor allem nicht auf transatlantischen Export orientierte KMU, Bauern und Industrieunternehmer).
  • …………

Wir ersuchen um eine Gelegenheit, mit Ihnen oder einem/r Ihrer VertreterInnen darüber zu reden, da wir sehr irritiert sind über die Ankündigungen und Koalitions-“Erfolge“ dieser „Volkspartei“. Nicht nur wir sind besorgt um die Zukunft jüngerer und künftiger Generationen (https://zukunftmitverantworten.org/).

Im Namen der überparteilichen SeniorInnen-Gruppe von attac.at
Mit freundlichen Grüßen
H.Peter Degischer

Antwort aus dem ÖVP-Büro vom 4.8.2016:

Sehr geehrter Herr Degischer,
danke für Ihr Schreiben an unseren Klubobmann, der gebeten hat, zu antworten. Ein persönlicher Gesprächstermin ist leider aufgrund der bereits in den Herbst hineingehenden fixen Terminverpflichtungen nicht möglich. Gerne sind wir mit Ihnen aber im schriftlichen Austausch. Die Österreichische Volkspartei informiert über ihre Homepage umfassend zu Asyl, Migration und Integration, wir halten stets auf dem aktuellen Stand, hier der direkte Link: https://www.oevp.at/asyl/Asyl–und-Fluechtlingsthematik.psp

Die ÖVP bekennt sich wie auch die SPÖ uneingeschränkt zum Asylgipfel und die dabei seitens der Bundesregierung vereinbarten Maßnahmen. Dazu gehört die klare Obergrenze, die Sicherung der Grenze und die Notverordnung. Insbesondere aufgrund der Tatsache, dass die Kapazitäten unseres Arbeitsmarktes und unserer Sozialsysteme sowie der vielen Helferinnen und Helfer, die sich für die Flüchtlinge im Land oftmals ehrenamtlich einsetzen, aufgrund der zusätzlichen Belastungen beinahe erschöpft sind, muss es unser klares Ziel sein, die festgelegte Obergrenze von 37.500 zum Asylverfahren Zugelassenen nicht zu erreichen.

Dasselbe gilt für die bedarfsorientierte Mindestsicherung – auch dieses Instrument für Notsituationen dürfen wir nicht überfordern. Wenn wir sehen, dass die Differenz zum Arbeitseinkommen nicht oder zu wenig gegeben ist, dann obliegt es der Verantwortung der Politik, gegenzusteuern. Wir können uns daher durchaus eine Deckelung der Leistung vorstellen. An neuen Modellen wird jetzt gearbeitet. Kon-sens besteht, dass es attraktive Anreize geben muss, auch für Menschen, die bei uns in Österreich Asyl bekommen, ins Erwerbsleben einzusteigen, denn Integration gelingt am besten durch Leistung.

Zur Ausbildungspflicht, die per 1. August in Kraft getreten ist, und die Sie ebenfalls konkret ansprechen, ist anzumerken, dass die Beschlussfassung mit 2/3-Mehrheit erfolgt ist: Jugendliche unter 18 Jahren, die die neunjährige Schulpflicht erfüllt haben und sich dauerhaft in Österreich aufhalten, sind verpflichtet, einer Bildung oder Ausbildung (z. B.: Lehrausbildung) nachzugehen. Was Asylsuchende betrifft, so fokussiert sich der Gesetzgeber hier auf mehr Deutschkursangebote für Minderjährige. Die Ausbildungspflicht wird für diese Personengruppe also auf den Spracherwerb abgestellt.

Mit freundlichen Grüßen
Ursula Kroczek
Politik & Interne Kommunikation / ÖVP-Bundespartei

Replik vom 11.8.2016

Sehr geehrte Frau Kroczek,
Danke für Ihre Nachricht. Ich bedauere es, dass keine/r der ÖVP-VolksvertreterInnen Zeit hat, die ÖVP-Position zu erklären. Könnte es sein, dass sie nur im eigenen Kreis die Probleme erörtern und dann zu Resultaten kommen, die für die Umgebung unverständlich sind? Das birgt die Gefahr des Sektierertums.

Ich erlaube mir einige unverständliche Sätze aus der von Ihnen empfohlenen Internetseite herauszugreifen:

  • Wir sind in Gesprächen, welche Möglichkeiten wir schaffen können, damit die Obergrenze nicht erreicht wird: in Form einer Verordnung, die der Exekutive mehr Möglichkeiten gibt. Peter McDonald

Die Kriegsparteien werden sich kaum um österr.Verordnungen kümmern. Ist bei der Exekutive das Bundesheer gemeint, das Frieden stiften soll? Oder sollen Flüchtende einfach nur von der Exekutive an der Grenze abgewiesen werden?

  • Wenn wir direkt an der libyschen Küste aktiv werden, beenden wir das Sterben im Mittel-meer. Solange wir die Flüchtlinge weiterwinken, wird das Ertrinken fortgesetzt werden.
  • Anstatt illegaler Migration braucht es legale Fluchtwege und die Hilfe vor Ort.
    Wir müssen militärisch, polizeilich und präventiv gegen den IS ankämpfen. Es gibt immer mehr Tendenzen einen politischen Islam zu etablieren, dem muss man entgegensteuern. Außenminister Sebastian Kurz

Was will Hr. Kurz an der lybischen Küste machen? Was versteht er unter „illegaler Migration“? Flucht vor Krieg? Warum richtet Österreich/die EU keine legalen Fluchtwege ein, wie beispielsweise mittels Botschaftsvisa? Das würde die Schlepperei überflüssig machen. Aufgrund der von Österreich bewirkten Sperre der Balkanroute fühlt sich der Außenminister nicht für die Ertrinkenden auf der gefährlicheren Mittelmeerroute nach Italien verantwortlich? Weiterwinken ist keine Alternative, aber registrieren wollten Österreichs Beamte die Flüchtenden auch nicht (wegen der Dublin-Abkommen?).
Wie steht es mit der Hilfe vor Ort? Angeblich waren die Geflüchteten in den Lagern im Libanon und Jordanien am Verhungern, weil die Mittel für UNHCR gekürzt wurden. Was hat Österreich dagegen getan? Wie wäre es mit Fluchtursachen bekämpfen, nicht Flüchtlinge!
Gegen den „politischen Islam“ oder gegen alle Kriegshandlungen diverser Rebellengruppen und des IS mit Unterstützung der russischen, Assad-, türkischen, iranischen, arabischen, französischen, USA u.a. Militärs im Nahen Osten? Österreich könnte sich für Frieden einsetzen, auch unter den EU-Partnern: gegen Waffenlieferungen der arabischen Nachbarstaaten, die sie größtenteils aus der EU importierten, gegen die Kriegsaufrufe der französischen Regierung, gegen Luftangriffe…. Wie wäre es mit einem Friedens- und Wiederaufbauplan, um auch den Geflüchteten Hoffnung zu geben?
Seine Interviews unter dem Titel „Kurz: Legale Migrationswege und Hilfe vor Ort ausbauen“ auf der Internetseite haben mit dieser Überschrift nichts zu tun und sind abscheulich. Da bedarf es einer Werteschulung für den Außenminister.

  • Deshalb braucht es jetzt die rasche Umsetzung der vorgesehenen Notverordnung. Nach dem Inkrafttreten dieser müssten Asylanträge an der Grenze nicht mehr angenommen werden, wenn dadurch der Schutz der inneren Sicherheit und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gefährdet ist. Innenminister Wolfgang Sobotka

Asylanträge werden in Österreich nicht mehr angenommen? Wo sind die europäischen Werte der Flüchtlingskonvention? Ein Innenminister sieht die innere Sicherheit wegen aus Not Geflüchteter gefährdet? Ja, wenn das BM.I wieder nichts Konstruktives macht wie im Vorjahr, bleibt wieder die Zivilgesellschaft. Oder wird diese bei der Notverordnung auch ausgeschaltet?
Ich erkenne einen Notstand in der Problemanalyse und –bewältigung bei unseren medienorientierten PolitikdarstellerInnen (zukunftsweisende PolitikerInnen sehe ich keine).
Sie schreiben „Konsens besteht, dass es attraktive Anreize geben muss, auch für Menschen, die bei uns in Österreich Asyl bekommen, ins Erwerbsleben einzusteigen, denn Integration gelingt am besten durch Leistung……. Die Ausbildungspflicht wird für diese Personengruppe [Jugendliche] also auf den Spracherwerb abgestellt.
Integration durch Entzug der Mittel für den Lebensunterhalt und durch Behinderung einer Berufsausbildung für Jugendliche, sowie geringfügiger Beschäftigungen für AsylwerberInnen, die meist mehr als 1 Jahr auf ihr Interview warten. – Wie geht das zusammen?

  • Dass differenziert werden soll, wie lange jemand Beiträge eingezahlt hat, haben wir schon in die Verhandlungen einbracht. Es ist legitim, darüber zu diskutieren, ob es bei Sozial-leistungen Unterschiede geben soll zwischen jemandem, der sein Leben lang Beiträge eingezahlt hat und jemandem, der noch sehr wenig eingezahlt hat. Peter McDonald

Lt. Gesetz (BMASK): Mit der Bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS) sollen all jene Menschen unterstützt werden, die für ihren Lebensunterhalt aus eigener Kraft nicht mehr aufkommen können.
Das hat nichts mit einem Versicherungssystem zu tun, bei dem man sich auf Beitragsleistungen berufen kann!
Sie schreiben „Wenn wir sehen, dass die Differenz zum Arbeitseinkommen nicht oder zu wenig gegeben ist, dann obliegt es der Verantwortung der Politik, gegenzusteuern.
Heißt das, dass die unteren Arbeitseinkommen nicht ausreichen, dass damit der Lebensunterhalt bestritten werden kann? Das nennt man doch prekäre Beschäftigungsverhältnisse. Da liegt es doch eher an den Beschäftigungsverhältnissen und der Höhe der Arbeitseinkommen als an der der Mindestsicherung! Trotz (wegen?) der weiter aufgehenden Einkommensschere sollen alle (Erwerbs-tätige, Arbeitslose, prekär Beschäftigte, Behinderte, PensionistInnen mit Ausgleichszulage, Geflüchtete…) für ihren Lebensunterhalt aufkommen können. Das ist doch ein europäischer Wert, dessen Umsetzung in der Verantwortung der Politik liegt!

Ich will Sie und mich nicht länger mit der Lösungsinkompetenz der PolitikdarstellerInnen (nicht nur Ihrer Partei) belasten. Wir werden in unserer Umgebung das in unserer Macht stehende zumindest versuchen, unverständliche Maßnahmen der Politik zu verhindern. Die PolitikdarstellerInnen machen mir Angst, wenn sie weiterhin mediale Präsenz den Problemlösungen vorziehen. Diese Sorgen sind Thema in der SeniorInnengruppe und in deren Familien, an die ich diese Korrespondenz weiterleite.

Mit freundlichen Grüßen
H.Peter Degischer

Keine weitere Rückmeldung;
Wer erkennt die Lösungskompetenz? Gilt nur mehr die mediale Präsenz der PolitikdarstellerInnen?

 

 

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