Dr. Anton Rainer

Zusammenfassung der Beiträge von Herrn Dr. Anton Rainer, ehemaliger Leiter der Abteilung Steuerschätzung und Steuerpolitik des Bundesministeriums für Finanzen
Umweltabgaben belaufen sich in Österreich auf rund 10 Mrd. Euro/Jahr, dazu kommen noch abgabenähnliche Einnahmen von rund 5 Mrd. aus Kanalgebühren, Abwasserabgaben, Parkgebühren u.ä. Zusätzliche große Beträge sind kurzfristig nicht erzielbar.
Eine einheitliche CO2-Steuer ist zu pauschal. Stattdessen sollte differenziert werden, z.B. im Verkehrsbereich könnten die Abgaben „stark“ angehoben werden, im Heizungsbereich muss aber vorsichtiger und langsamer vorgegangen werden, weil hier negative soziale Auswirkungen zu befürchten und geringe CO2-Effekte zu erwarten sind. Zu bemerken ist, dass fast alle Länder mit einer CO2-Steuer den Energieeinsatz – bis auf Treibstoffe – in der betrieblichen Produktion davon ausnehmen.
Andere Öko-Abgaben, d.h. die NOVA und die motorbezogene Versicherungssteuer, sollen wesentlich erhöht werden, da dadurch eine dauernde Lenkungswirkung erzielbar ist. Wenn man sich nämlich wegen dieser Abgaben ein verbrauchsärmeres Auto anschafft, wird man über dessen gesamte Lebensdauer weniger Treibstoff verbrauchen und weniger CO2 emittieren.
Die CO2-Zertifikate sind wenig sinnvoll, eine entsprechend hohe Steuer auf den Energieeinsatz bei der Produktion ist wesentlich einfacher und wirkungsvoller. Es handelt sich dabei um ein neoliberales Konzept, mit der unausgesprochenen Absicht, dem Staat keine zusätzlichen Einnahmen aus Öko-Abgaben zu gönnen.
In eine ähnliche Richtung geht der nicht genauer spezifizierte Plan im Regierungs­programm, den Tanktourismus zu begrenzen. Dabei ist die einfachste diesbezüg­liche Möglichkeit, die Mineralölsteuer (hauptsächlich bei Diesel) deutlich zu erhöhen. Erhöht der Staat die Mineralölsteuer, verschwindet der Tanktourismus. Würde das „Dieselprivileg“ in Österreich abgeschafft (+8,5 cent/Liter), wäre eine Reduktion der durch den Tanktourismus angerechneten CO2-Emissionen von 5-7 Mio. Tonnen möglich. Es käme allerdings zu weniger Einnahmen des Staates aus der Mineralölsteuer, aber die CO2-Emmissionen durch den KFZ-Verkehr würden kaum reduziert, jedoch anderen Staaten angelastet.
Dies ist das Problem bei vielen Umweltabgaben: Wenn sie wirken, vermindert sich ihr Aufkommen entsprechend und sie bringen weniger als auf dem Status quo berechnet.
Die „Pendlerförderung“ ist viel zu kompliziert und ist wenig zielgerichtet (drei verschiedene Instru­mente: Verkehrsabsetzbetrag mit Pendlerzuschlag, Pendler­pauschale, Pendlereuro).
Corona hat einen eher negativen Einfluss auf die Öko-Steuer-Diskussion, da sich die ÖVP wahrscheinlich mit dem Argument, dass Steuererhöhungen die wirtschaft­liche Erholung bremsen könnten, oft querlegen dürfte. Dies zeigt sich schon an den bisherigen Maßnahmen:
Teile der Einkommensteuerreform hat die Regierung vorgezogen, aber nicht die angekündigte sozial-ökologische Steuerreform. Dabei wäre der starke Rückgang des Ölpreises eine gute Gelegenheit gewesen, die Treibstoffpreise durch eine Erhöhung der Mineralölsteuer zu stabilisieren. Was zeigt, dass sich die Grünen in der Regierung gegen die ÖVP nicht durchsetzen können. Der schwache grüne Einfluss in der Koalition zeigt sich auch bei den „zahmen“ Änderungen bei motor­bezogener Versicherungssteuer und Flugticketabgabe.
Ein CO2-Äquivalent auf Importe aus Drittstaaten ist nicht berechtigt, solange in der EU die Produktion nicht mit CO2-Steuer belastet wird. Abgesehen davon ist eine solche Abgabe für die Rückzahlung der EU-Mittel für die Beseitigung von Corona-Schäden der Mitgliedsstaaten vorgesehen. Schließlich ist aber eine der­artige Abgabe so kompliziert, dass eine kurz- oder mittelfristige Einführung wenig realistisch ist.
Abschließend schätzt er die Lenkungswirkung von „Umweltabgaben“ infolge niedriger Elastizität für gering ein. Wichtiger als die abgabenseitigen sind angebotsseitige Maßnahmen – konkret: öffentliche Verkehrsalternativen überall, autofreie Orte, Dienstleistungen in Gehweite, Höchstgeschwindigkeitsbe­schränkungen, weniger Straßenbauten, keine Großmärkte am Stadtrand, keine Zersiedelung usw.
Die Einführung einer CO2-Steuer ist prinzipiell relativ einfach, man braucht nur die Steuersätze auf verschiedene Energieträger entsprechend erhöhen. Allerdings sind die politischen Widerstände nicht zu unterschätzen – insbesondere beim Autoverkehr, weil dort auch (irrationale) Emotionen eine Rolle spielen. Es gibt keine „umweltfreundlichen“ Autos – auch keine E-Autos. Daher kann es nicht Ziel sein, alle derzeitigen 4 Mio. benzin- oder dieselbetriebenen PKW durch elektrische zu ersetzen.
Eine Carbon-Ausgleichssteuer der EU (auf Importe aus Drittländern) ist unreal-istisch und nicht gerechtfertigt, solange die EU die eigene Produktion nicht danach besteuert.
Klimainvestitionen werden in den nächsten Jahren durch Schuldenaufnahmen finanziert werden müssen. Öko-Abgaben sollten nicht zweckgebunden sein. Das Aufkommen von Öko-Abgaben wird viel zu gering sein (und – wenn wirksam – langfristig sinkend), um einen substanziellen Ökobonus, geschweige denn den Corona-bedingten Anstieg der staatlichen Defizite in den nächsten 4 bis 5 Jahren zu decken. „Das Beste was passieren kann“, ist dass die EU die nächsten zehn Jahre nicht auf den Schuldenstand schaut. Die große Gefahr besteht darin, dass die EU versucht zu früh auf ihre Schuldenbestimmungen zu pochen bzw. diese von den Mitglieds­staaten einzufordern.
Weitere Steuerinformationen:
https://www.researchgate.net/publication/329239217_Die_optimale_Besteuerung_-_eine_nachhaltige_Illusion