Was gegen die steuerliche Absetzbarkeit von Spenden spricht.

Der Artikel gibt den Stand der Diskussion am 14.3.2023, 16 Uhr wieder. Gern nehmen wir weitere Stellungnahmen und Kommentare dazu entgegen (bitte ganz unten in das entsprechende Feld eingeben!).

Gabriel:

Ich möchte vorausschicken, dass ich nichts gegen Vereine und Einrichtungen habe, die sich (auch) mit Spenden finanzieren.

Meine Überlegung betrifft das Prinzip der steuerlichen Absetzbarkeit von Spenden.

1) Der Gesetzgeber bestimmt zwar (mit welchen Kriterien?), welche Vereine und Einrichtungen für steuerbegünstigte Spenden in Frage kommen (in Deutschland bestimmt das das Finanzamt!!! „Das Finanzamt Frankfurt am Main hatte der Organisation [attac] im Jahr 2014 die Gemeinnützigkeit aber wegen allgemeinpolitischer Betätigung entzogen.“ – https://taz.de/Aberkennung-der-Gemeinnuetzigkeit/!5754363/). Der Staat hat aber keinen Einfluss darauf, wie viel Steuergeld diesen Einrichtungen zu Gute kommt. Das bestimmt ausschließlich der Spender. Das ist sogar noch mehr als das, was der Piech-Erbe sich gewünscht hat: er würde schon Steuern zahlen, aber er möchte auch bestimmen, wo das Steuergeld dann hin geht. In der Tat bestimmt der Spender, wohin das Steuergeld der ANDEREN Steuerzahler zu gehen hat.
Konkret: Wenn ein Reicher beschließt, an einen kleinen (in der obigen Liste geführten) Verein etliche Millionen zu spenden, dann zahlt ihm der Staat, sofern er in der höchsten Steuerstufe ist, 55% davon zurück. Das heißt, die Steuerzahler zahlen automatisch und ohne über Staatshaushalt und Parlament zu gehen, 55% der gespendeten Summe an den Spender zurück.

2) Spender werden nicht gleich behandelt. Ein armer Schlucker wie ich, der in der untersten Steuerstufe ist, kriegt im Falle einer Spende nur 20%, das heißt, ein Fünftel seiner Spende, zurück, während ein wohlhabender (zB. Jahreseinkommen über 3 Millionen) bei einer Spende von 1 Million nur 450.000 aus eigener Tasche zahlt, also 55% vom Staat (de facto von allen Steuerzahlern) zurück bekommt. Das ist eindeutig ungerecht und bedeutet Umverteilung von unten nach oben. Je mehr du hast, desto mehr kriegst du, und zwar nicht linear proportional, sondern nichtlinear ansteigend, gestaffelt nach Steuerstufen.

3) Ich bezweifle, dass die Liste der gemeinnützigen Einrichtungen vom Parlament beschlossen wurde. Ich nehme eher an, dass sie irgend ein Bürokratengremium erstellt hat und von der Regierung durchgewunken wurde. https://service.bmf.gv.at/service/allg/spenden/show_mast.asp

Die einfachste und gerechteste Lösung wäre aus meiner Sicht die Abschaffung der Absetzbarkeit für alle. Für die Gemeinschaft nützliche Einrichtungen sollten zwar auch durch Spenden gefördert werden können, aber nicht zu Lasten der Allgemeinheit. Auch sollten nicht die (reichen) Spender bestimmen, wie viel vom allgemeinen Steuergeld an ihren Lieblingsverein fließen soll.
Wenn der Staat meint, diese auch mit Steuermitteln, also mit unserem Steuergeld, fördern zu müssen, dann sollte das transparent und demokratisch geschehen und auch von den demokratisch gewählten Gremien kontrolliert werden können.

Peter:

Die Steuerabsetzbarkeit ist wie beschrieben unsachlich.
Wie wäre es, wenn der Staat einfach die private Spende verdoppeln würde, ohne steuerliche Absetzbarkeit, aber aus Steuern aufgestockt:
Eine Unterstützung der Spendenfreudigkeit der Bevölkerung.

Walter:

Da hab ich Vorbehalte. Ich brauch z.B. ein rechts-christliches Caritas-und-Propagandaprojekt und spende 1mio der Kaiphas-Gemeinde, Kaiphas kriegt, von allen Steuerzahl* – die also von meiner Wahl, Kaiphas zu begünstigen, gegängelt würden – aufgestockt, 2 mio; davon steckt der Christenverein 1,8 mio in mein Manipulationsprojekt; dessen Erfolg begünstigt meine Geschäfte so, dass ich mit einigen mio mehr aussteige; die verwend ich für noch weitergehende Kanalisation. Bald kommt keine Regierung mehr an meinen rechtsradikalen Christen vorbei.
So weit das Bsp. Ich meine also, was Spend* tun, darf nicht v. Gemeinwesen geboostet werden.
Bin sehr für NGO-Debatte: mein erster Beitrag zu ihr ist/wäre: keine Aufwertung ohne Glasnost, Richtlinien, Pflichten. (Und einer meiner nächsten Punkte ist / wäre klarerweise: das Spektrum erweitern, systematisch Mitgestalt* – u.a.: alles Bürgerinnenforum-Ähnliche – als Gegengewicht zu u potenzielle Partn* von Parteien auf- und ausbauen, evtl. Schweizer Vorbild u. span. Erfahrungen einbeziehen etc., jdfs.: nicht v.a. auf NGO setzen, sondern u.a. auf NGO setzen).

Peter:

Das jetzige System finde ich auch schlecht, da der Spender seine Steuerleistung reduziert. Also ein Großspender profitiert mehr als ein Geringverdiener.

Direktförderungen der Regierung ohne Regulierung sind auch gefährlich, siehe Fasselabend-Verein.

Noch ein Punkt: es ist gar nicht so leicht, die Absetzbarkeit der Spenden zu erreichen! AbFaNG kann sich derzeit dieses Verfahren nicht leisten. Jedenfalls ist das Verfahren für den Status transparent. AbFaNG bettelt halt um Gratissäle und Spenden von befreundeten Orgas und Personen für Veranstaltungskosten.

Attac bekommt ja auch nur gelegentliche Förderungen für Aktionen, soweit ich weiß.

Gerhard:

Das Thema ist, wie so vieles, nicht einfach. (= Trivialsatz)

Transparenz ist ein Zauberwort, das helfen könnte.

Und klare Grenzen nach oben, solange es keine Solidarische Gesellschaft gibt (und das könnte noch länger dauern)

Also mir wäre natürlich eine sozial gerechte Besteuerung für alle und das Schließen der Steuerschlupflöcher viel lieber, als dass viele (caritative) Einrichtungen auf Spenden angewiesen sind.

Fazit: Würden alle fair besteuert – und diese Steuern auch zahlen – bräuchten wir keine Spenden.

Und die Menschen würden sich so solidarisch fühlen und diese Solidarität auch leben, dass sie ihr (vielleicht) schlechtes Gewissen nicht mit Spenden beruhigen zu versuchen. – Aber dies könnte noch lange dauern. Und solange diese Utopie nicht Realität geworden ist, bin ich froh, dass Einzelnen überleben und Organisationen arbeiten können, weil sie Spenden bekommen.

In der (langen) Zwischenzeit können wir uns nur für Transparenz einsetzen, das würde schon ein wichtiger Schritt sein.

Gabriel:

Ich möchte erneut betonen, dass ich nichts gegen Spender und Spenden habe. Ich finde es nur pervers, dass mit der steuerlichen Absetzbarkeit der Spenden erstens die Großspender mehr profitieren als kleine Leute, weil sie die Spenden auf einer höheren Steuerklasse absetzen können als ärmere Leute, und zweitens dass de facto die Spender bestimmen, wofür eigenes Steuergeld und Steuergeld der übrigen Steuerzahler ausgegeben wird. Die Verwendung des Steuergeldes gehört aber zu den Hoheitsaufgaben von Parlament und Regierung.

Beispiel: Gaston Glock (oder seine Ehefrau) beschließt, einem gemeinnützigen Sportverein, der auch eine Sektion Scheibenschützen mit Handfeuerwaffen hat, eine Million € zu spenden. (er/sie möchte ja, dass die Sprtschützen seine Pistolen verwenden!). Da vermutlich der Herr Glock in der höchsten Steuerklasse ist, zahlt er wegen der Spende um ca. 550.000 Euro weniger Steuern, also hat er dem Verein de facto von „seinem“ Geld nur 450.000 überwiesen, der Rest kommt vom Steueramt. Dieses Geld fehlt dann im Steuertopf und muss von den anderen Steuerzahlern ausgeglichen werden.

Gitti Schimmerl:

Nachträglich zu der Debatte um Spenden.
Marlene Engelhorn:
Wenn Sie in Deutschland in die hohen Einkommensklassen kommen, dann subventioniert der Staat ihre Spende. Das heißt, damit 100 € ankommen, müssen Sie vielleicht die Hälfte zahlen. Wenn Sie aber in die niedrigen Einkommensklassen kommen, müssen Sie, damit 100€ ankommen auch 100€ spenden.


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