(Utopische??) Ökodiktatur?

von Gabriel Fauner

Das Übereinkommen von Paris wurde auf der 21. Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (COP21) im Dezember 2015 in Paris verabschiedet und trat im November 2016 in Kraft. Die beigetretenen Staaten verpflichten sich, die Erderwärmung auf deutlich unter 2 °C, möglichst jedoch auf 1,5 °C, gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Bis August 2021 haben 191 der 197 Vertragsstaaten der Klimarahmenkonvention das Übereinkommen von Paris ratifiziert.

Da es bisher außer Lippenbekenntnissen kaum Fortschritte in der Umsetzung der Klimaverpflichtungen aus COP21 gibt, wird ein Pfad zur Klimaneutralität vorgeschlagen. Dieser Pfad gibt sowohl den Menschen als auch den Unternehmen ausreichend Zeit, sich an die neuen Gegebenheiten anzupassen.

Ein Pfad zur Klimaneutralität

Mit den angeführten Vorschlägen soll Klimaneutralität und das angestrebte 1,5°-Ziel bis 2035 erreicht werden. Natürlich handelt es sich nur um einen groben Entwurf, eigentlich um Überschriften einzelner Kapitel. Details müssten noch ausgearbeitet werden.

CO2 steht hier durchgehend für CO2-Äquivalent.

Die vorgeschlagenen Maßnahmen gehen davon aus, dass nach Erreichen des angepeilten Ziels alle Menschen im Prinzip einen gleichen CO2-Verbrauch haben.

(Zum Vergleich: Im Falle von Trinkwasserknappheit sollte jeder Person die gleiche Wassermenge zugeteilt werden, unabhängig davon, ob diese Person in einer Einzimmer-Stadtwohnung oder in einem großen Landhaus mit Garten und Swimmingpool lebt. Die klimaverträglich verfügbare CO2-Menge ist erwiesenermaßen begrenzt und sollte gerecht verteilt werden.)

Folgende konkrete Maßnahmen werden vorgeschlagen:

  1. Den aktuellen nationalen CO2-Fußabdruck feststellen.
  2. Den CO2-neutralen nationalen Fußabdruck 2035 unter Berücksichtigung des 1,5°-Ziels errechnen.
  3. Den CO2-neutralen Fußabdruck 2035 pro Kopf berechnen.
  4. Den derzeitigen individuellen CO2-Verbrauch ermitteln.
  5. Jeder Konsum, der individuell über dem CO2-neutralen Verbrauch (siehe Punkt 3) liegt, wird progressiv besteuert. 50% der Steuern gehen an die ärmsten Länder, damit diese (a) sich die Bekämpfung der Auswirkung der Klimakrise leisten können und (b) selbst Maßnahmen zum Klimaschutz setzen können.
  6. Ausgehend vom individuellen derzeitigen CO2-Verbrauch wird ein individueller Reduktionspfad festgelegt, sodass ab 2035 alle Menschen CO2-neutral leben. Der individuelle Reduktionspfad soll im Kurvenverlauf ein Abbild des nationalen Reduktionspfades sein. Dabei werden besondere Härtefälle berücksichtigt. Das jährliche nationale CO2-Budget darf aber nicht überschritten werden. Wer weniger verbraucht, als in seinem individuellen Reduktionspfad erlaubt ist, zahlt entsprechend weniger Steuern.
  7. Alle angebotenen Waren, Güter und Dienstleistungen bekommen neben dem Preis einen CO2-Wert, und über deren Erwerb muss individuell Buch geführt werden. Das kann automatisiert mit dem Zahlungsbeleg erfolgen. Sobald eine Person die ihr zustehende CO2-Menge erreicht hat, hat sie im laufenden Jahr kein Recht mehr auf weiteren Einkauf von CO2-belasteten Produkten, Gütern oder Dienstleistungen. CO2-neutrale und CO2-negative Produkte, Güter und Dienstleistungen dürfen in unbegrenzter Menge erworben werden. Für langlebige Güter, deren Lebensdauer vom Verkäufer garantiert werden muss, kann der CO2-Betrag auf die garantierte Lebensdauer aufgeteilt werden (anteilige Abschreibung). Wer in einem Jahr weniger als sein individuelles CO2-Budget verbraucht, kann den Rest auf bis zu acht Jahre ansparen (etwa für eine Reise oder für einen größeren Einkauf). Ein Handel mit individuellen CO2-Rechten und/oder deren Weitergabe ist ausdrücklich untersagt.
  8. Die Kosten für diese Maßnahmen werden während der Übergangszeit bis zum Erreichen der Klimaneutralität (2035) aus (5.) gedeckt, danach aus dem ordentlichen Haushalt des jeweiligen Staates.

Auswirkungen der vorgeschlagenen Maßnahmen:

  • Alle Menschen haben Anrecht auf das gleiche individuelle jährliche CO2-Budget.
  • Alle angebotenen Waren, Güter und Dienstleistungen werden neben dem Preis auch mit ihrem CO2-Wert verrechnet.
  • Die Produzenten/Anbieter haben ein Interesse, den CO2-Wert der Waren, Güter und Dienstleistungen so gering wie möglich zu halten, damit sie mehr absetzen können.
  • Übermäßiger Reichtum verliert zunehmend an Attraktivität, da er nicht automatisch zu mehr Konsum berechtigt. Nach Ausschöpfung des persönlichen jährlichen CO2-Budgets können nur noch CO2-neutrale Waren, Güter und Dienstleistungen und solche mit negativem CO2-Label erworben werden.

Da die Zeit knapp ist, sollten die Vorschläge so rasch als möglich umgesetzt werden.

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6 Kommentare

  1. Ihr Lieben! Die Idee hat viel für sich. Mir scheint nur, dass ein einzelner Mensch damit total überfordert wäre. Aber es gab in der Geschichte immer wieder Selbstverpflichtungsgruppen z.B. die Orden. Vorbildhaft wären für mich die AA, die Anonymen Alkoholiker mit ihrer Selbstverpflichtung. Das funktioniert nur bei regelmäßigen Treffen, Erfahrungsaustausch und gegenseitiger Ermunterung.
    Liebe Grüße Annamarie.

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    1. Liebe Annemarie, ich glaube, du hast mich missverstanden. Mein Vorschlag zielt nicht auf freiwillige Einschränkung, sondern auf gesetzlich verpflichtende Maßnahmen, die auch mittels gesetzlicher Zwangsmaßnahmen durchgesetzt werden müssen. „Freiwillig“ hat noch nie funktioniert!

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      1. Veränderung wächst nur von unten und aus Überzeugung. Eine Ökodiktatur brächte nur Gewalt und Zerstörung. Liebe Grüße Annamarie. Vielleicht ist der Vorschlag nur ein Spaß?

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        1. Liebe Annamarie, wir wissen seit 1972 („Die Grenzen des Wachstums“ des Club of Rome) über die Klimabedrohung Bescheid, und die Wissenschaft warnt uns ununterbrochen, dass sich das Zeitfenster für ein entsprechendes verantwortliches Handeln innerhalb einer HALBEN Generation schließt. Und was haben wir bisher FREIWILLIG daraus gemacht? Und was wird in absehbarer Zukunft FREIWILLIG geschehen?
          Der Titel Ökodiktatur ist mit Bedacht gewählt. Ja, Ökodiktatur könnte Gewalt und Zerstörung bringen. Aber die Klimakatastrophe bringt schon jetzt Gewalt und Zerstörung und unsägliches Leid für viele: Wirbelstürme in den USA, Trockenheit abwechselnd mit gewaltigen Unwettern in fast allen Erdteilen, Untergang von Küstenregionen wegen des ansteigenden Meeresspiegels (Hawaii, Polynesien, Mikronesien, küstennahe Großstädte…), zunehmender Mangel an Trinkwasser und dadurch ausgelöste Kriege (Syrien, Türkei, …), „Klima“flüchtlinge, massenweise tote Flüchtlinge in der Sahara und im Mittelmeer… Ist das leichter zu ertragen, weil man wegschauen kann?
          Aber es gibt noch immer die Möglichkeit, dass eine Mehrheit zur Einsicht kommt und entsprechend einschneidende Klimagesetze beschließt und auch durchsetzt. Die Zeit dafür ist aber denkbar knapp!
          Die Wende muss dieses Jahrzehnt kommen
          Das Möglichkeitsfenster, um eine lebenswerte, nachhaltige Zukunft für alle zu erhalten, schließt sich dabei rapide: “Die Entscheidungen und Aktionen, die wir in dieser Dekade treffen, werden mit hoher Sicherheit jetzt und für Jahrtausende Einfluss haben”, so der Report. Dabei kann es nicht mehr um einzelne Bereiche gehen – wir brauchen nun alle Maßnahmen auf einmal: Energiewende, Verkehrswende, Agrarwende – nichts davon ist mehr verzichtbar, nichts davon lässt sich mehr aufschieben. Wenn das 1,5-Grad-Ziel so gut wie verloren ist, müssen wir umso mehr um jedes Zehntelgrad weniger Erhitzung kämpfen. Andernfalls wird es unseren Kindern und Enkel:innen sehr viel schlechter gehen als uns.
          (aus: https://umweltinstitut.org/energie-und-klima/meldungen/ipcc-klima-zeitbombe-tickt/)
          Nachdenklichen Gruß
          Gabriel

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  2. Lieber Peter, du hast natürlich Recht damit, dass die 0,1% das große Problem sind. Sie werden im vorgezeichneten Pfad auch am meisten in die Pflicht genommen, sie müssen in der verbleibenden Zeit von 100 auf 1 herunter kommen. Ein „normaler Bürger“ braucht hingegen „nur“ von vielleicht 10 oder 5 auf 1 herunter zu kommen.

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  3. Der zugelassene globale CO2-Fußabdruck wäre 1t pro Person und Jahr! Im globalen Süden ist das kein Problem, aber bei uns würde das massive Konsumänderungen erfordern. Das kann nur langsam oder über eine ÖKOdiktatur erfolgen. Die jetzigen Krisen wären ein geeigneter Ausgangspunkt!
    In Österreich verursachen Personen, die zu den 0,1% Reichsten gehören, 20-mal so viel Treibhausgasemissionen als Personen aus der unteren Hälfte der Einkommensverteilung, obwohl diese durchschnittlich 5 Tonnen CO2e/Jahr verursachen, was das Fünffache des internationalen Zielwertes ist. Das heißt die 0,1% Reichsten verursachen den 100-fachen Zielwert des Klimaabkommens. bei denen lohnt es sich anzufangen!

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