Photovoltaik in der Landwirtschaft

In Folge eines Artikels in der italienischen Wirtschaftszeitung „Il Sole 24 Ore“ vom 23. Jänner 2023 schickten Peter und Gabriel drei fast wortgleiche Anfragen an den Bauernbund, an das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft und an das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie.

Der Wortlaut der Anfragen:

In Italien experimentiert man mit großflächigen Photovoltaikanlagen in der Landwirtschaft, ohne den Ertrag zu schmälern. Dabei werden die PV-Paneele auf hohen Stelzen oder Aufstützungen angebracht, sodass darunter die landwirtschaftliche Fläche weiterhin bewirtschaftet werden kann.

Versuche haben gezeigt, dass die landwirtschaftlichen Erträge nicht nur nicht beeinträchtigt werden, sondern sich sogar beträchtlich steigern lassen. Dürreperioden können durch die Beschattung leichter überbrückt werden.

Zusammenfassend haben die Versuche laut der Unternehmerzeitung „Il Sole 24 Ore“ ergeben, dass

– der Ernteertrag 20 bis 60% höher ist,

– die Früchtezahl um bis zu 30% zunimmt,

– durch die teilweise Beschattung der Anbauflächen bis zu 20% Wasser für die Bewässerung eingespart werden kann,

– in Italien bei einer vorgesehenen Produktion von 80 GW eine Bodenversiegelung von 0,3% nötig ist.

Als Zusatznutzen für die Landwirtschaft ergibt sich durch den Erlös für den produzierten Strom ein beträchtlicher Zuverdienst für die Landwirte.

Vielleicht könnten Sie als zuständige Umwelt- und Energieministerin anregen, dass auch in Österreich entsprechende Versuche durchgeführt werden.

Anmerkung: Die landschaftliche Beeinträchtigung durch die Anlagen dürfte kaum größer sein als jene, die durch die derzeitigen großflächigen Plastikgewächshäuser, zum Beispiel im Marchfeld,  entsteht.

Mit freundlichen Grüßen

Hier die – eh sehr interessanten und positiven – Antworten:

1. Bauernbund

Vielen Dank für Ihre Anfrage!

Um die Energieziele Österreichs bis 2030 zu erreichen, braucht es im Bereich Photovoltaik eine zusätzliche Leistung von rund 11 TWh.

Damit wir in Zukunft diese zusätzliche Leistung erbringen können, braucht es neben dem Dachflächenausbau (Potential rund 7.000ha) auch Freiflächenanlagen (weitere rund 7.000 ha notwendig), wobei letztere in manchen landwirtschaftlichen Bereichen zu einem Konflikt u.a. auf Ackerflächen führen, ob auf diesen Böden in Zukunft Strom oder Lebensmittel produziert werden sollen.

Eine Lösung, um diesem Konfliktpotential zu entgehen, ist die zukünftige „Doppelnutzung“ in der Landwirtschaft – die sogenannte „Agri-PV“, wie es auch aus Ihrem beigelegten Artikel hervorgeht. Dabei sollen auf gleicher Fläche sowohl Strom als auch Lebensmittel erzeugt werden. Im Optimalfall würde die Landwirtschaft dann doppelt profitieren, in dem Bäuerinnen und Bauern in Zukunft „Land- UND Energiewirt“ zugleich sein können.

In Österreich versuchen bereits einige Forschungseinrichtungen und Institutionen Erkenntnisse aus ersten Versuchsergebnissen zu gewinnen:

  • In Haidegg in der Steiermark wird eine Doppelnutzung in der Apfelproduktion erprobt. Bifaziale Dachelemente sollen Hagelnetze ersetzen und neben der Stromproduktion eine Apfelproduktion sowie einen gleichzeitigen Hagelschutz ermöglichen.
    Hier gibt es bereits erste Ergebnisse. Wir dürfen auf folgende Links verweisen:

https://www.agrar.steiermark.at/cms/ziel/13888112/DEbzw.
https://www.ecowind.at/unternehmen/referenzen/agri-pv-anlage-haidegg/

  • Die RWA Solar Solution GmbH errichtete 2021 das „Öko-Solar-Biotop“ Projekt in Pöchlarn (NÖ). Ziel ist es, mit unterschiedlichen Varianten der Doppelnutzung zu zeigen, wie Naturschutz (Biodiversitätsflächen unter Paneelen) mit landwirtschaftlicher Bewirtschaftung und gleichzeitiger Stromerzeugung funktionieren kann. Die Ergebnisse aus allen Bereichen werden von der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) in den nächsten Jahren evaluiert:

https://www.rwa.at/oeko-solar-biotop-poechlarn-biodiversitaet-und-photovoltaik-vereint-auf-einer-flaeche+2500+1014863

  • In Bruck an der Leitha (Burgenland) werden ebenso verschiedene Doppelnutzungen auf landwirtschaftlichen Flächen mit unterschiedlichen Abständen und Höhen erprobt (Aufständerungen, Zäune).
    Ziel ist es hier, perfekte Produktionsbedingungen – sowohl für die Stromgewinnung als auch für die landwirtschaftliche Produktion – zu finden und standortangepasst umsetzen zu können:

https://www.ews-sonnenfeld.com/referenzprojekte/detail/ews-sonnenfeld-bruck-an-der-leitha

Alle Projekte im Energiebereich, die in Zukunft für die Land- und Forstwirtschaft förderlich sind und eine zweite Einkommensquelle für unsere landwirtschaftlichen Familienbetriebe bereitstellen können, sind für uns als Bauernbund nur unterstützenswert.

Es arbeiten neben unserem Büro bereits viele andere agrarische Interessensvertreter intensiv an Lösungsbereichen, die eine nachhaltige Energiewende in den Regionen ermöglicht (siehe auch https://wirtschaftenamland.at/projekte/denkwerkstatt/)

Wir hoffen, Ihnen damit vorerst einen Überblick geben zu können. Sollten Sie weitere Fragen zu einem dieser Themenbereiche haben, können Sie uns gerne jederzeit kontaktieren.

Mit besten Grüßen,

Hannah Michlbauer, BSc
Referentin für Agrarpolitik & Organisation
Bauernbund Österreich
Brucknerstraße 6/3, 1040 Wien
Tel.: +43 1 5058173 – 816
Mobil: +43 660 546 00 48
h.michlbauer@bauernbund.at
www.bauernbund.at

2. Landwirtschaftsministerium:
Anfrage an Herrn BM Totschnig wegen Agri-Photovoltaik;
danke für Ihr E-Mail an Herrn Bundesminister Mag. Norbert Totschnig und für Ihr Interesse an dem vielversprechenden Thema der Doppelnutzung landwirtschaftlicher Flächen für die Energieproduktion.
Agri-Photovoltaik beschäftigt uns und unsere Stakeholder im Sektor bereits seit einiger Zeit sehr intensiv.
Auch in Österreich laufen bereits wissenschaftliche Projekte mit unterschiedlichen Anlagenformen und Kulturarten bzw. Weidehaltung.
Bestimmte Kulturen scheinen besonders geeignet, wie auch die von Ihnen übermittelten Ergebnisse aus Italien zeigen.
Gleichzeitig bietet sich die Chance für die Landwirtschaft, die eigene Energieautarkie – zusätzlich zur bereits verbreiteten PV-Nutzung auf Dachflächen – zu stärken und einen Beitrag zur Erreichung der Klima- und Energieziele zu leisten.
Gemeinsam mit dem für Energieagenden federführend zuständigen Klimaministerium konnte bereits im letzten Jahr auf Grundlage des Erneuerbaren Ausbau Gesetzes (EAG) und der darauf beruhenden Verordnungen eine Anlagenförderung u.a. für Agri-Photovoltaik gestartet werden. Auch für 2023 sind entsprechende Calls budgetiert und
geplant, um diese Technologie weiter zu verbreiten.
Speziell der Sektor Landwirtschaft ist bestrebt, im Sinne der Resilienz seiner Aufgabe einer gesicherten Versorgung der Gesellschaft mit Lebensmitteln und Agrarrohstoffen bestmöglich nachzukommen.
Mit freundlichen Grüßen
25. Januar 2023
Für den Bundesminister:
Ing. Lukas Kaupe

3. Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie:

Das Servicebüro des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) dankt für Ihr Schreiben vom 23. Jänner 2023.
Die Energiewende ist ein wichtiger Pfeiler im Kampf gegen den Klimawandel. Wie Ihnen bekannt ist, besteht das zentrale energie- und klimapolitische Ziel der Österreichischen Bundesregierung darin, bis 2030 die Stromversorgung auf 100 % Strom aus erneuerbaren Energieträgern (national bilanziell) umzustellen und bis zum Jahr 2040 Klimaneutralität zu erreichen. Mit dem Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) sollen die dafür notwendigen rechtlichen und
organisatorischen Rahmenbedingungen und ein langfristig stabiles Investitionsklima geschaffen werden. Im Konkreten soll bis zum Jahr 2030 die jährliche Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien unter Beachtung strenger ökologischer Kriterien m 27 TWh gesteigert werden. Gemessen an den 27 TWh ist vorgesehen, 11 TWh aus Photovoltaik, 10 TWh aus Windkraft, 5 TWh aus Wasserkraft und 1 TWh aus Biomasse zu decken.
Die Errichtung der durch das EAG geförderten PV-Anlagen soll vorrangig auf oder an Gebäuden oder baulichen Anlagen (z.B. Parkplätze, Lärmschutzwände, Betriebsanlagen), die zu einem anderen Zweck als der Nutzung von Solarenergie errichtet wurden, sowie auf Deponien, Altlasten, Bergbau- sowie Infrastrukturstandorten und militärischen Flächen (mit Ausnahme von militärischen Übungsgeländen) erfolgen. Betreffend Ihres Vorschlags
Lärmschutzwände mit PV-Anlagen auszustatten, können wir Ihnen mitteilen, dass dies bereits umgesetzt wird. Allen voran bietet das Erneuerbare-Ausbau-Gesetz (EAG) die Grundlage für die Weiterentwicklung und Anpassung des bisherigen Fördersystems im Rahmen des Ökostromgesetzes. Die Photovoltaik soll gemeinsam mit der Windenergie den Hauptbeitrag beim weiteren Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung leisten.
Österreichs produktive Böden verringern sich jährlich erheblich. Laut „Regierungsprogramm 2020 – 2024“ soll der Bodenverbrauch so gering wie möglich gehalten werden und der jährliche Zuwachs bis 2030 auf 9 km² pro Jahr sinken, während er in den vergangenen zwei Jahrzehnten ein Mehrfaches – teilweise das Zehnfache – dieses Wertes betragen hat. In diesem Sinne wird auch im EAG primär der Ansatz verfolgt, dass PV-Anlagen zuerst auf oder
an einem Gebäude, einer baulichen Anlage, einem Bauwerk oder auf Flächen außerhalb von Gebäuden mit besonderem Fokus auf versiegelten Flächen Deponien, Verkehrsanlagen, P&R-Anlagen, Parkplätze etc.) errichtet werden.
Erreicht werden soll dies mit per Verordnung adaptierbarem Abschlag: Für Photovoltaikanlagen, die auf einer landwirtschaftlich genutzten Fläche oder einer Fläche im Grünland errichtet werden, verringert sich die Förderung um einen Abschlag von 25% – dieser Abschlag kann per Verordnung allerdings verringert werden. Zudem gibt es durchaus kreative und innovative Möglichkeiten einer Doppelnutzung, sodass beispielsweise Photovoltaikanlagen als Schattenspender für den Gemüseanbau oder für das Weidevieh dienen können. Diese sogenannten Agri-PV Anlagen unterliegen im EAG keinem Freiflächenabschlag. Nähere Bestimmungen werden per Verordnung, in Übereinstimmung mit den Zielen und Grundsätzen des EAG, festgelegt.
Die Anlagenerrichtung auf Brach-, Konversionsflächen oder ehemaligen Deponien ermöglicht sogar eine Rückkehr von Biodiversität in diese sonst bereits sehr ausgedünnten Gebiete. Da die Reihen zur Vermeidung gegenseitiger Verschattung mehrere Meter Abstand voneinander halten, wird der Boden unter den Modulen mit Regen und relativ viel Licht versorgt, so dass sich eine Grasnarbe bildet, die mit Schafen abgeweidet oder aber gemäht werden kann. Die Bodenverankerung von Freiflächenanlagen erfolgt meist in Form von zu rammenden Erdständern oder mittels Erdschrauben praktisch ohne Bodenversiegelung. Durch den Verzicht auf Fundamente bleiben beim Bau von PV-Anlagen 99% der Bodenfläche unberührt.
Ergänzend dazu können Erosionsschutz-Solaranlagen auf Agrarflächen dank der mit Rammfundamenten verstärkten Dämme bis zu eine Million Liter Regenwasser je Hektar zusätzlich zurückhalten und sogar gleichzeitig den Anbau auf diesen Flächen verbessern und zusätzlich mit Blühstreifen auch noch Biodiversität und Insektenschutz bieten. Das ist dann eine Win-Win Situation für die Sicherheit der Bevölkerung, die Ertragssicherheit der Landwirt:innen und eldie Umwelt. Weitere Informationen finden Sie unter:
https://pvaustria.at/pvlandschaft/
https://www.pv-magazine.de/2021/07/22/wirtschaftlicher-erosionsschutz-mit-photovoltaik-anlagen/
Zudem möchten wir Sie auf das folgende PV-Projekt in Bruck an der Leitha aufmerksam machen:
https://energiepark.at/agri-pv-sonnenfeld-bruck-leitha/

Wir hoffen, dass wir Ihnen mit dieser Information behilflich sein konnten und verbleiben
mit freundlichen Grüßen
Servicebüro
Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt,
Energie, Mobilität, Innovation und Technologie

Werbung

Kommentar hinterlassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

%d Bloggern gefällt das: