Für gerechtere, zukunftssichere Pensionen!

Positionspapier, Fassung Juni 2019, Attac Österreich

Österreichs Pensionssystem wird von vielen Ländern als beispielhaft betrachtet. Verbesserungen und Korrekturen zur Anpassung an neue Gegebenheiten sind trotzdem notwendig, vor allem, um das bewährte Umlagesystem als Garant der Pensionen über Jahrzehnte zu erhalten und um Altersarmut zu verhindern. Ziel muss es sein, das Pensionssystem nicht nur langfristig stabil, sondern sozial gerecht zu gestalten, sodass für die jeweils pensionsberechtigte Bevölkerung ein menschenwürdiges soziales Leben gewährleistet ist.

Ausgehend von der derzeitigen Situation gibt es Verbesserungspotenzial

2,2 Millionen Pensionsbezieher*innen (Stand 2018) tragen aktiv zum Gesellschaftsleben und zum Wirtschaftsgeschehen bei. Von den ausbezahlten Pensionen fließen durchschnittlich 40 bis 45 Prozent durch Abgaben, Einkommens- und Mehrwertsteuer wieder an den Staat beziehungsweise staatliche Institutionen zurück. Viele Pensionist*innen unterstützen tatkräftig ihre Angehörigen und soziale Einrichtungen.

Wie aus den 10 nachstehenden Erläuterungen ersichtlich, gewährleistet das bewährte Umlageverfahren mit entsprechenden Anpassungen die beste Zukunftssicherung der Pensionen. Damit wird den neoliberalen Politiker*innen und Versicherungsmanager*innen widersprochen, die gebetsmühlenartig die „Unfinanzierbarkeit“ des Umlagesystems behaupten und die Notwendigkeit des Aufbaus einer 2. (betrieblichen) und 3. (individuellen) „Pensionssäule“ beschwören. Das bewährte, selbstverwaltete Umlageverfahren wird schlechtgeredet, um Privatisierungen voranzutreiben, damit private Profitinteressen einiger weniger befriedigt werden. (1)

1) Pensionen nach dem Umlageverfahren sind am sichersten

Umlageverfahren heißt, dass die heutigen Pensionen von jenen Geldern bezahlt werden, die die derzeit arbeitenden Menschen mit ihren Pensionsbeiträgen in das Pensionssystem einzahlen. Reicht die Beitragsdeckung nicht, garantiert der Staat die Zahlung der Pensionen für die jeweils Pensionsberechtigten. Wichtig ist, dass der sogenannte Generationenvertrag, also die Beziehung zwischen den Generationen, im Pensionsversicherungssystem gerecht gestaltet ist. Im Wesen des Versicherungssystems liegt es, dass jene, die mehr brauchen, von denen, die weniger brauchen, gestützt werden. Der Ausgleich ist eine politische Entscheidung, die einen würdigen Lebensstandard für alle garantieren soll.

2) Altersarmut verhindern

Die Schwelle zur Armutsgefährdung ist statistisch mit 60 Prozent des Medianeinkommens definiert (demnach waren zum Beispiel im Jahr 2017 16 Prozent der Pensionist*innen armutsgefährdet).

Das Minimum, das ein Einpersonenhaushalt monatlich für ein menschenwürdiges Auskommen benötigt (das sogenannte Referenzbudget (2)), liegt bei rund 70 Prozent des Medianeinkommens. Um Altersarmut zu vermeiden, müsste daher die Ausgleichszulage für zu niedrige Pensionen auf diese Höhe angehoben werden; zum Beispiel lag 2018 die Ausgleichszulage 25 Prozent unter dem Referenzbudget.

Die Anpassung der Pensionshöhe ist gesetzlich in der jeweiligen Inflationshöhe vorgeschrieben, was aber jährlich per Verordnung geändert wird. Da sich die Konsumerfordernisse für Pensionist*innen wesentlich vom Bevölkerungsdurchschnitt unterscheiden, muss sich die Inflationsanpassung der Pensionen am Einkaufskorb der Pensionist*innen orientieren, dessen Preisindex etwas über dem durchschnittlichen liegt. Die Erhebung des Pensionist*innen-Preisindex wurde 2016 eingestellt und sollte von Statistik Austria wieder erhoben werden.

3) Gerechtere Einkommen für Frauen, auch in der Pension

Frauen bilden die Mehrheit der Pensionsbezieher*innen (2017: rund 55 Prozent). Sie haben eine höhere Lebenserwartung und ein niedrigeres Pensionsantrittsalter. Frauen erhalten im Regelfall deutlich weniger Pension, was unter anderem durch das geringere Einkommen und durch kürzere Beitragszeiten – wegen Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen, erwerbsloser Perioden und früherem Pensionseintritt – verursacht wird. Frauen beziehen im Schnitt weniger als 60 Prozent der Pension der Männer. Fast ein Viertel der Pensionistinnen ist armutsgefährdet, vor allem Bezieherinnen von Witwenpensionen.

Pensionserhöhend könnten folgende Maßnahmen wirken: Angleichung der Bezahlung der Frauen an das Gehaltsniveau der Männer, (schrittweise) Anhebung des Pensionsanfallalters bei gleichzeitig weitergeführter Erwerbstätigkeit durch Förderungen für die Generation 50-plus. Weiters schafft eine automatische Lohnvorrückung während der Elternkarenz Abhilfe.

4) Die Erwerbsquote erhöhen

Die Einnahmenseite der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) hängt im Umlageverfahren wesentlich davon ab, wie hoch die Erwerbsquote ist und wie die Einkommensverteilung der Beitragspflichtigen aussieht. Die Erwerbsquote steigt, wenn die Zahl der Erwerbstätigen, die Pensionsbeiträge entrichten, erhöht wird.

Die Erwerbsquote könnte wirksam durch eine generelle Arbeitszeitverkürzung in Richtung einer 30-Stunden-Woche erhöht werden.

Der Lohnausgleich ergibt sich aus der Produktivitätssteigerung und der Abnahme des Arbeitsvolumens seit 1975 (dem Jahr der Einführung der 40-Stunden-Woche). Das würde die Arbeitslosenzahlen senken und so die Erwerbsquote und die Sozialbeitragssumme erhöhen. Weiters sind prekäre Beschäftigungen durch versicherte Arbeitsverhältnisse zu ersetzen.

Bei Erwerbstätigkeit über dem Pensionsanfallalter muss die Sozialversicherungsbeitragspflicht wie bei jedem Einkommen beibehalten werden.

5) Das gesetzliche, selbstverwaltete Pensionssystem stabil erhalten

Aktuell sind die Pensionen zu knapp 90 Prozent durch die Beiträge der Versicherten gedeckt (3). Der Zuschuss aus der Ausfallhaftung des Bundes wird nach Prognosen von derzeit 2,7 Prozent des BIP auf 3,1 Prozent im Jahr 2050 zunehmen, was einer jährlichen Steigerung des Zuschusses um nur 4 Promille des BIP entspricht (4). Diese Steigerung wird von der AK als bewältigbar bezeichnet, jedoch vom Finanzminister, den Privatversicherungen und der Europäischen Kommission (im Europäischen Semester (5)) als schwer finanzierbar hochgespielt.

Durch die demografische Entwicklung und die Auswirkungen der vielzitierten „Digitalisierung“ sind weitere Maßnahmen zur Finanzierung des Umlagesystems nötig. Daher sollten die Dienstgeberbeiträge durch Wertschöpfungsabgaben ergänzt werden, um die paradoxe

Entwicklung zu beenden, dass der Ersatz von Menschen durch Roboter und Automaten die Beitragssumme senkt, solange die durch Rationalisierung erzielten Produktivitätsgewinne nicht zusätzlich als Lohnerhöhungen weitergegeben werden.

6) Ausgleich der steigenden Lebenserwartung

Zusätzlich zu den oben angeführten Verbesserungsmöglichkeiten der Beitragsdeckungsquote kann ein gerechter Ausgleich der Pensionsleistungen bezüglich der sich laufend erhöhenden Lebenserwartung über eine einkommensdifferenzierte Ersatzrate 6 erzielt werden. Für Pensionist*innen, die eine Pension über 2.500 Euro monatlich beziehen, steigt der Anteil an den Pensionszahlungen, da diese eine höhere Lebenserwartung haben als jene der untersten Pensionen. Laut Statistik leben höher gebildete Menschen durchschnittlich länger als Pflichtschulabsolvent*innen. Gebildete profitieren also doppelt in der Pension: einerseits durch die meist höheren Pensionen und andererseits durch deren längeren Bezug. Daraus ist abzuleiten, dass niedrige Einkommen die Pensionen der höheren Einkommen stützen! Diese Ungerechtigkeit kann durch eine einkommensdifferenzierte Ersatzrate beseitigt werden.

Die sogenannte Pensionsautomatik, die das Pensionsanfallalter mittels einer Formel aus der durchschnittlichen Lebenserwartung errechnet, ist jedenfalls abzulehnen! Die Pensionsautomatik würde das Ungleichgewicht zwischen niedrigen und höheren Einkommen festschreiben. Im Gegensatz dazu könnte die Alterssicherungskommission die differenzierten Ersatzraten an eine weiter steigende Lebenserwartung gerechter anpassen.

7) Harmonisierung der Pensionsversicherungssysteme

Die Pensionsversicherungsbeiträge – 2018: in der ASVG 22,8 Prozent (am Lohnzettel ist nur der Dienstnehmeranteil ersichtlich), in der GSVG 18,5 Prozent, in der BSVG 17 Prozent – müssen so vereinheitlicht werden, dass die Beitragsdeckungsquote für alle vergleichbar wird. Die Pensionsregelungen für Bundes- und LandesbeamtInnen sollen an die ASVG-Regelungen herangeführt werden. Die staatlich finanzierten Luxuspensionen gehören ehestens abgeschafft.

8) Aufwertung der Anrechnung erwerbsloser Perioden

Die Anrechnung erwerbsloser Perioden als Pensionsbeitragszeit soll erhalten bleiben. Dazu zählen zum Beispiel Krankenstand, Kindererziehung, die Pflege Angehöriger, Präsenz- und Wehrersatzdienst sowie Arbeitslosigkeit. Die Bewertung dieser Zeiten im Pensionskonto sollte aufgewertet werden. Dafür erfolgen Ausgleichszahlungen nach dem Verursacherprinzip aus den zugehörigen Budgetpositionen.

Die freiwillige Selbstversicherung und der Nachkauf von Schul- und Studienzeiten müssen auch weiterhin möglich sein (7).

9) Statt privaten Zusatzversicherungen freiwillige Höherversicherung bei PVA

Im Unterschied zum Umlageverfahren basiert das Kapitaldeckungsverfahren auf einem Ansparprozess, der von Erträgen auf dem Finanzmarkt abhängt.

Die Pensionskassen gibt es in Österreich seit 1990. Diese leisten sozusagen das Management für die betrieblichen Pensionen und für private Pensionen. Sie veranlagen die von den Privatpersonen oder Betrieben eingezahlten Beträge auf dem sogenannten Kapitalmarkt. Die Risken und die Kosten der Pensionen werden auf die Individuen verlagert, die auch die Verwaltung und die Erträge der Versicherungen bezahlen müssen.

Die steuerlichen Förderungen privater Pensionsbeiträge sind als Förderungen der Privatversicherungen abzuschaffen. In den letzten Jahren konnte die Pension im Kapitaldeckungsverfahren häufig nicht einmal eine Abgeltung der Inflationsrate erreichen. Eine nachhaltige Entwicklung der Finanzmärkte ist nicht zu erwarten.

Statt der privaten Zusatzversicherung empfehlen wir die freiwillige Selbstversicherung und die freiwillige Höherversicherung direkt bei den staatlichen Pensionsversicherungsanstalten zu bezahlen und damit die spätere Pension gesichert aufzubessern.

10) Selbstverwaltung der Pensionsversicherungen wiederherstellen

Im Zuge der gesetzlichen Änderungen der Sozialversicherungen hat die ÖVP-FPÖ-Regierung im Dezember 2018 eine wesentliche Verschiebung der Machtverhältnisse in den Managementorganen festgeschrieben: vom bisherigen Verhältnis – zwei Drittel Dienstnehmer-, zu einem Drittel Dienstgebervertreter*innen in den Leitungsgremien der PVA (Generalversammlung, Vorstand etc.) – auf paritätische Gleichstellung zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer*innenseite.

Da der ÖAAB bei den Dienstnehmer*innen vertreten ist, ist damit zu rechnen, dass in den Gremien im Sinne der derzeitigen Regierung entschieden wird, was de facto eine Entmündigung der Beitragszahler*innen bedeuten würde. Zurzeit gibt es jedoch noch verfassungsrechtliche Einsprüche gegen diese Neuregelung, die dem Selbstverwaltungsprinzip widerspricht.


(1) Unter https://www.attac.at/ueber-attac/positionspapiere werden auf Grundlage der derzeitigen Gesetzgebung Details zum Pensionsanfallalter, zu den Beitragssätzen, zu diversen Sonderregelungen, zur vorzeitigen Alterspension, zur Pensionshöhe etc. ausführlich erklärt. https://www.attac.at/fileadmin/dateien/Positionspapiere/Pensionspapier_2019_Erlaeuterungen.pdf

(2) https://www.schuldenberatung.at/downloads/infodatenbank/referenzbudgets/Referenzbudgets_2016_Aktualisierung_EndV.pdf

(3) PVA-Rechnungsabschluss 2017: http://www.pensionsversicherung.at/cdscontent/load?contentid=10008.657371&version=1530103325

(4) https://www.sozialministerium.at/cms/site/attachments/6/5/5/CH3434/CMS1478178195122/gutachten_2017_teil_ii.pdf

(5) Die Europäische Kommission analysiert für jeden Mitgliedstaat jährlich die wirtschaftliche Lage und empfiehlt Reformfortschritte: https://www.bundeskanzleramt.gv.at/europaeisches_semester

(6) M. Knell: Überlegungen zur fairen und nachhaltigen Ausgestaltung eines Pensionssystems, Working Paper der AK-Wien, Nr.159, Oktober 2016

(7) https://www.arbeiterkammer.at/beratung/arbeitundrecht/pension/pensionshoehe/Nachkauf_von_Schul-_und_Studienzeiten.html

Aus den genannten Gründen ergeben sich folgende

10 Attac-Forderungen für Österreichs Pensionssystem:

1. Stärkung des bewährten Umlageverfahrens aller Erwerbstätigen mittels einer gesetzlichen, selbstverwalteten Pensionsversicherung (PVA) an Stelle der Förderung des Kapitaldeckungsverfahrens auf der Basis unsicherer Finanzmärkte.

2. Verhinderung der Altersarmut durch verbindliche jährliche Valorisierung der Pensionen nach dem wiedereinzuführenden Verbraucherpreisindex für Pensionist*innen und Erhöhung der Ausgleichszulage auf das Referenzbudget.

3. Verbesserung der Eigenpensionen der Frauen, unter anderem durch gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit und großzügige Anrechnung von Sorgearbeit.

4. Erhöhung der Erwerbs- und Beitragsquote durch generelle Arbeitszeitverkürzung mit Lohnausgleich, Förderung der Erwerbstätigkeit der Generation 50-plus und Ersatz prekärer Beschäftigungen durch versicherte Arbeitsverhältnisse.

5. Nachhaltige Finanzierung der Pensionen durch Ausweitung der Beitragsgrundlage auf die Wertschöpfung in der Wirtschaft und auf Kapitalerträge.

6. Einführung gerechterer, einkommensdifferenzierter Ersatzraten statt automatischer Koppelung des Pensionsantrittsalters an die statistische Lebenserwartung, um auch das Vertrauen der jungen Menschen in das Umlageverfahren zu stärken.

7. Konsequente Angleichung der Pensionsversicherungsbeiträge und -leistungen der Arbeiter*innen und Angestellten, Selbständigen, Bauern und Bäuerinnen, Beamt*innen; rasche Abschaffung der staatlich finanzierten Sonderpensionen.

8. Großzügige Anrechnung erwerbsloser Perioden wie Pflege, Kinderbetreuung, Ausbildungszeiten, Krankenstand, Arbeitslosigkeit als Pensionsbeitragszeit.

9. Verstärkte Information über die freiwillige Höherversicherung durch die jeweilige Pensionsversicherungsanstalt (zum Beispiel im Pensionskontoauszug) und über die Möglichkeiten der Selbstversicherung. Aufklärung über die Risken der privaten und betrieblichen Pensionsvorsorge. Einstellung der steuerlichen Förderung der Privatpensionen.

10. Die Pensionsversicherung muss die bewährte Selbstverwaltung durch die Dienstnehmer*innen in den Leitungsgremien der PVA (Generalversammlung, Vorstand etc.) beibehalten.

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1 Kommentar

  1. Es gibt einige „Experten“ der Agenda Austria, die hartnäckig von einem Pensionsdefizit in der Größenordnung von 20 Milliarden € im Staatsbudget 2018 sprechen (ORF) und schreiben (in Gastkommentaren, auf ihrer web page). Dazu einige Klarstellungen:
    1) Es gibt kein Pensionsdefizit sondern eine gesetzlich vereinbarte „Ausfallhaftung“ für die Differenz zwischen Beitragseinnahmen und Pensionsauszahlungen.
    2) Der Budgetposten BeamtInnen-Pensionen steht selbstverständlich dem Staat zu (ca.9,2 Md.€), wobei davon 2,2 Md.€ Zuzahlungen der BeamtInnen und der BeamtInnenpenionistInnen abzuziehen sind.
    3) in der Budgetposition „Zahlungen an die Pensionsversicherungen“ von ca.9,4 Md.€ sind auch Sozialleistungen wie Ausgleichszahlungen, Teilpensionen,…enthalten, die ca. 2 Md.€ ausmachen.
    4) Also die Pensionszuzahlung für über 2 Millionen PensionistInnen beträgt 2018 ca. 14,7 Md.€, geringer als prognostiziert und ist kein unerwarteter Beitrag aus dem Bundesbudget. Die Pensionen bleiben entsprechend dem Sozialversicherungsgesetz und den BeamtInnenverträgen gesichert.

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