Human Quality Management – Menschengerechte Unternehmensführung Rudolf Karazman, Springer-Gabler Verlag 2015 Rezension von H.Peter Degischer, em.o.Univ.Prof. - 26.04.2016
Der Autor ist vielleicht noch KPÖ-Mitgliedern und SympathisantInnen bekannt, der vor etwa 20 Jahren die IBG (Innovatives Betriebliches Gesundheitsmanagement GmbH) gründete, die nachwievor an der Umsetzung einer humanökologischen Arbeitswelt arbeitet. In dem Buch stellt der Autor dieses Prinzip des Human Quality Managements (HQM als Kontrapunkt zu TQM – Total Quality Management) für verschiedene Arbeitssituationen aus mehreren Gesichtspunkten dar. Ausgehend vom ursprünglichen Beruf des Autors als Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, als Psychotherapeut und Arbeitsmediziner ist für ihn das umfassende Wohl des Werktätigen anzustreben.
Sowohl für die abhängigen ArbeitnehmerInnnen als auch für die ManagerIn und UnternehmerIn trägt die Verwirklichung intrinsischer Werte wesentlich zum Wohlbefinden bei, wofür Rudolf Karazman auf vier Bedingungen aufbaut: die soziale Wirksamkeit der Kooperation am Arbeitsplatz, die persönliche Sinnhaftigkeit der Tätigkeit, gesundheitsfördernde Arbeitsbedingungen und die Anteilnahme am Management zur Zusammen-Führung für kurz- und langfristig sinnvolle Ziele. Eine humanökologische Arbeitsgestaltung basiert auf der sozialen Einbindung durch Kommunikation, der Selbstverwirklichung mit Kompetenz und einer gesund erhaltenden Arbeitsbewältigung. Das resultierende Arbeitsvermögen der WertschöpferInnen kann durch eine personenzentrierte Zusammen-Führung bestmöglich für das Erreichen der Unternehmensziele genützt werden. Ein(e) ManagerIn kann die Produktivität zu einem Optimum dirigieren, wenn die Fähigkeiten genutzt werden, eine Arbeitszufriedenheit erzeugt wird, Ausfälle durch Krankheit reduziert werden und innere Kündigung gar nicht erwogen wird. Der Autor stellt den aktiven Stress als positiv für kurzfristige Leistungssteigerung dar, wenn diese Perioden durch Erholungsphasen ausgeglichen werden. Andauernder, passiver Stress durch ständige Überforderung, aber auch durch Unterforderung, soziale Barrieren und sinnentleerte Tätigkeiten macht jedoch krank und reduziert das Arbeitsvermögen.
Besondere Bedeutung misst der Autor der Flexibilisierung der Arbeitsorganisation für alternde MitarbeiterInnen bei, um deren Stärken zu nutzen und deren Schwächen anzuerkennen. Die Arbeitsanforderungen sollen der Arbeitsfähigkeit entsprechen, wofür auch Ergonomie und Arbeitszeitgestaltung anzupassen sind. Das HQM kann auch eingesetzt werden, um ImmigrantInnen zu integrieren, was besonders über die Erwerbsarbeit gelingen kann, um die Traumata der Emigrationsursachen und der Immigrationsprobleme, sowie der Anpassung an die Arbeitswelt zu verarbeiten und womöglich zu heilen. Die sozialen Beziehungen am Arbeitsplatz, die Nutzung der kulturellen Fähigkeiten für die Arbeitsaufgaben sowie der emotionalen und körperlichen Leistungsfähigkeit der ImmigrantInnen tragen nicht nur zur Integration bei, sondern bereichern die Arbeitsdynamik.
Dem Betriebsrat wird die Rolle einer humanökologischen Qualitätsprüfung zugeschrieben. Mit Bewertungen gemäß einem Manual Human Work Index kann gemeinsam mit dem Management das Optimum des Arbeitsvermögens jeder/s MitarbeiterIn erarbeitet werden. Von den BetriebsärztInnen wünscht er sich die proaktive Menschenverträglichkeitsprüfung der Arbeitsverhältnisse in der nach HQM dargestellten Gesamtheit. Das nachhaltige Arbeitsvermögen eines Unternehmens stellt seinen eigentlichen Wert dar, es wird aber nur die Wirtschaftsbilanz veröffentlicht. Rudolf Karazman verlangt, dass Unternehmen nach der Humanbilanz bewertet werden und dass Investitionen ins Arbeitsvermögen ebenso steuerlich abschreibbar sein sollten wie Maschinen. Das übliche Controlling der Kosten sei durch ein Kostbarkeits-Controlling der Wertschöpfer zu ergänzen, wofür das Buch auch Indikatoren angibt.
Der Autor stellt die betriebswirtschaftliche Bedeutung der Arbeitswelt in Bezug zur Volkswirtschaft, die ebenfalls von der Produktivität der Betriebe, der Gesundheit der Erwerbstätigen, die weder innerlich kündigen noch die Frühpension anstreben, profitiert. Darüber hinaus kann sich eine humanökologische Transformation der Wirtschaftsregeln anbahnen, die die Unternehmen dazu bringt nicht nur den eigenen Betrieb nach HQM auszurichten, sondern dies auch von den Unternehmen der Wertschöpfungskette zu verlangen. Das ist ein wertvoller Aspekt für den derzeit in Vorbereitung befindlichen Gesetzesentwurf über die Berichtspflicht zu Nicht-Finanziellen Indikatoren großer Unternehmen, insbesondere staatlicher Organisationen.
Das Buch konzentriert sich auf die Erwerbsarbeit, weist aber auch auf die Einflüsse auf das Privatleben hin. Eine menschengerechte Erwerbstätigkeit fördert sicher die übrigen Tätigkeitsbereiche der Menschen, wie familiäre Beziehungen und Haushaltsarbeit (Reproduktion), kreative Eigenarbeit und engagierte, gesellschaftliche Teilhabe. Wenn die letzteren drei Tätigkeitsbereiche an Bedeutung und Raum gewinnen, kann – meiner Meinung nach – die Erwerbsarbeit mit weniger Stress gestaltet werden.
Das Buch beschreibt keine Sozialromantik, sondern eine Vision, die Hoffnung und Anregungen für PersonalmanagerInnen, BetriebsrätInnen, VertreterInnen der Sozialpartner, ArbeitsmedizinerInnen, ArbeitnehmerInnen und Bildungseinrichtungen für eine humanökologische Transformation der Arbeitswelt gibt.
H.Peter Degischer, em.o.Univ.Prof.
peter@degischer.at
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