Heinrich Müller (Zukunft mitverantworten) 23.03.2015
Vordergründig klingt es gut, dass die Bezieher von Erwerbseinkommen im Jahr durchschnittlich ca. € 1.000,- mehr für ihren Lebensunterhalt zur Verfügung haben, und die Regierungsparteien rühmen sich damit. Wie schon Einige ausgerechnet haben, wird bei genauerem Betrachten die Optik immer schiefer. Wenn 80% der gesamten steuerlichen Erleichterung bei 20% der Besserverdiener bleiben, aber nur 20% des Steuerkuchens den anderen 80% der Erwerbstätigen zugute kommen, dann wird wiederum die Umverteilungstendenz bestätigt: Die oberen 20% werden reicher, während die anderen 80% mit netto weniger als € 2350,- Haushaltseinkommen pro Monat weiterhin jeden Euro umdrehen müssen, bevor sie ihn ausgeben. Noch können sie ihre Wohnung, die notwendigen Nahrungsmittel, die Kleidung, kleinere Anschaffungen und manche das Auto davon bestreiten. Noch schafft es das soziale Netz, ein gewisses Maß an Bildung, Gesundheit und Mindestvorsorge abzudecken. Noch ist es nicht soweit, dass Österreicher hungern müssen. Der Bevölkerungsanteil steigt, der unter die Armutsgrenze rutscht (derzeit 19% mit netto weniger als € 1100,- pro Monat). Das Fatale daran ist, dass die Tendenz dahin geht, dass das Einkommen der Mittelschicht sinkt. Die überwiegende Mehrheit der Österreicher (bald wahrscheinlich schon 90%) wird ärmer und steht einer kleinen Minderheit von reicher werdenden Reichen gegenüber. Der neu eingeführte Solidaritätssteuersatz könnte doch weit unter € 85.000,- Monatseinkommen eingeführt werden. Warum wird jemandem mit € 50.000,- Monatseinkommen eine jährliche Steuerermäßigung von € 2170,- zugestanden?
Die darin enthaltene Gefahr der sozialen Explosion wird (noch) nicht gesehen oder will nicht gesehen werden, weil es „uns“ ja noch gut geht. Wobei dieser Begriff von „uns“ nicht mehr lange von der Mehrheit so gefühlt und verwendet werden wird, sondern diese Entwicklung eher zu einer Spaltung der Gesellschaft in die sozial und wirtschaftlich marginalisierte Mehrheit und der abgeschirmten Minderheit führen wird. Abgeschirmt, weil sie mit Recht um ihre Sicherheit fürchten wird müssen und sich auch nicht mehr wohlfühlen wird (das sogenannte Sao Paolo-Syndrom).
Steuerreformen dieser Art werden nichts am vorherrschenden Wirtschaftssystem ändern, sondern dieses nur perpetuieren. Die zur Zeit dominierenden Politikdarsteller wollen uns weismachen, dass ohnehin so viel für die „Umverteilung“ getan werde. Tatsächlich aber in die falsche Richtung. Solange das neoliberale Wirtschaftsmodell unser ganzes Leben bestimmt, werden „Reformen“ nur jene krankhaften Symptome (Arbeitslosigkeit, prekäre Lohnverhältnisse, Armut in allen Formen, Ausbeutung von Natur und Mensch, etc..) verstärken, die von diesem Wirtschaftssystem produziert werden. Nur wenn das Primat der Politik über die Wirtschaft wiederhergestellt wird, welches die Entwicklung der Menschen ins Zentrum stellt und nicht die skrupellose Gewinnmaximierung und Kapitalkonzentration bei einigen Wenigen.
Ja dann, was wäre dann? Sollen wir davon weiter nur träumen?
Steuerreform 2016: Mehr im Börsel für Berufspolitiker
In den zwanzig Jahren seit Österreichs Beitritt zur Europäischen Union hat in unserem Land – so wie in allen anderen Mitgliedsstaaten auch – eine beispiellose Umverteilung von unten nach oben stattgefunden.
Aus dem aktuellen Einkommensbericht des Rechnungshofs geht hervor, dass das Nettoeinkommen von Kleinverdienern seit 1998 um sage und schreibe 44 % gesunken ist.
Im Klartext: Jene 10 % der arbeitenden Bevölkerung, die 1998 ohnehin schon am schlechtesten dran waren, müssen heute mit der Hälfte jenes Einkommens ihr Auslangen finden, das ihnen damals noch zur Verfügung stand. Die so genannten ‚working poor‘, die vor zwanzig Jahren noch als amerikanisches Phänomen galten, sind heute also auch bei uns längst traurige Realität geworden.
Was die mittleren Einkommen angeht, so sind sie seit 1998 in etwa gleich geblieben.
Signifikant gestiegen sind hingegen die Realeinkommen der Beamten, nämlich um durchschnittlich 20 Prozent, was möglicherweise daran liegt, dass die meisten Mitglieder unserer Politikerkaste dieser Berufsgruppe angehören.
Noch deutlicher als bei der Einkommensentwicklung zeigt sich die schon erwähnte Umverteilung von unten nach oben bei den Vermögenszuwächsen:
Seit 1995 sind die Dividendenausschüttungen und Gewinnentnahmen der Kapitalgesellschaften um unfassbare 360 Prozent gestiegen. Der Vermögenszuwachs der Reichen und Superreichen unseres Landes beläuft sich im Durchschnitt auf sieben Prozent pro Jahr, was zur Folge hat, dass ein Prozent der österreichischen Bevölkerung mittlerweile über mehr als ein Drittel des gesamten Privatvermögens in unserem Land verfügt. Tendenz steigend.
Geld bringt eben Geld. Und damit sich daran auch in Zukunft nichts ändert, wurde das Thema ‚Vermögenssteuern‘ bei den Verhandlungen zur für 2016 geplanten Steuerreform sehr rasch wieder unter den Tisch gekehrt, weil reiche Politiker für gewöhnlich auch reiche Freunde haben, und Freundschaften muss man pflegen…
Immerhin wurde von den Regierungsparteien im Vorfeld dieser Reform vollmundig angekündigt, dass vor allem Kleinverdiener von dieser Reform profitieren würden, um ihre Kaufkraft zu stärken und die Kluft zwischen Arm und Reich in unserem Land nicht noch größer werden zu lassen, als sie ohnehin schon ist.
Was dabei herausgekommen ist – die für 2016 geplante Steuerreform – wurde von den Abgeordneten der beiden Regierungsparteien unisono als großer Erfolg gefeiert. Und das ist sie auch. Nur leider nicht für die Kleinverdiener, sondern vor allem für ihr eigenes Börsel.
Tatsache ist nämlich, dass Großverdiener – und dazu gehören selbstverständlich auch Parlamentsabgeordnete – von dieser Steuerreform viermal mehr profitieren als jene Kleinverdiener, für die sie doch eigentlich gedacht war.
Beispielsweise erspart sich eine teilzeitbeschäftigte Arbeiterin mit einem monatlichen Bruttogehalt von 1.300 Euro pro Jahr 431 Euro. Das sind 36 Euro pro Monat.
Bei einem Industriearbeiter mit einem monatlichen Bruttogehalt von 2.000 Euro beträgt die Ersparnis 882 Euro pro Jahr oder 73 Euro pro Monat.
Und bei einem Großverdiener – wie zum Beispiel einem Berufspolitiker – beträgt die jährliche Ersparnis satte 2.180 Euro, also mehr als das Monatsgehalt eines Schwerarbeiters, der dafür seine Gesundheit einbüßt.
Natürlich könnte man an dieser Stelle einwenden, dass auch eine Ersparnis von immerhin 431 Euro pro Jahr nicht zu verachten sei. Und dieser Einwand ist sogar berechtigt, weil gerade Kleinverdiener jeden zusätzlichen Euro bitter, bitter bitter nötig haben.
Wenn man sich allerdings vergegenwärtigt, dass die Kluft zwischen Arm und Reich durch diese Reform nicht bloß nicht verkleinert, sondern sogar noch zusätzlich vergrößert wird, so kann man sie wohl kaum noch ruhigen Gewissens als sozial ausgewogen bezeichnen.
Der berühmte Komiker Karl Valentin behauptete einmal, ständig eine Uhr ohne Zeiger mit sich herumzutragen.
„Eine Uhr ohne Zeiger, die hat doch gar keinen Wert“, stellte er sachlich fest. „Aber in dem Moment, wo ich sie dem Uhrmacher gebe, hab ich gar keine, also ist’s doch gescheiter, wenn ich wenigstens die habe, wenn sie auch nicht geht.“
Und genauso verhält es sich mit dieser Steuerreform: Sie ist eine Uhr ohne Zeiger.
Dietmar Füssel
(Mehr zu diesem Thema unter http://www.dietmarfuessel.com/politik/ )
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Schärfer formuliert wird dies in http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=view&id=1212&Itemid=86, wo es durch eine Grafik der Steuerersparnisse verdeutlicht wird:
„Die Reform der Lohn- und Einkommenssteuer ist eindeutig einer Förderung der Gut- und Bestensverdienenden. Wer über 8.500 Euro monatlich brutto verdient, erspart sich das fast 10-Fache dessen, was einem sog. „Kleinverdiener“ mehr im Börserl bleibt. Etwas polemisch ausgedrückt: Eine Steuerreform von und für Nationalratsabgeordnete, die derzeit 8.440 Euro monatlich einstreifen. Oder auch für hohe AK- und ÖGB-Funktionäre, die sich gerne als die eigentlichen Triebkraft für diese Steuerreform sehen.“
Warum schlugen das AK- und ÖGB-funktionäre vor?
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